Überraschender Fund auf dem Gelände der Silberwarenmanufaktur „Koch & Bergfeld“
Von Wigbert Gerling
Bremen.
Dieses Wal-Versprechen wurde prompt eingehalten: Hans Christian
Küchelmann kennt sich mit Knochenarbeit aus, aber als er per Zufall
erfuhr, auf dem Firmengelände von Koch & Bergfeld am Kirchweg seien
Knochen eines Wals gefunden worden, da wollte er es nicht glauben. Umso
mehr staunte der gelernte Archäozoologe, als er bei einem Ortstermin
mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Händen berühren konnte, was
versprochen worden war – der Zufallsfund von zwei stattlichen
Wal-Kieferknochen. Küchelmann: „Das ist wirklich etwas sehr Seltenes.“
Es
begann mit einem Zombie-Film. Eine Regisseurin wollte in den
historischen Hallen der renommierten Bremer Silberwarenmanufaktur Koch
& Bergfeld einen Grusel-Streifen drehen. Einer der Statisten
bemerkte dabei im Staub einen mehrere Meter langen Gegenstand, der ihn
an einen Wal-Kiefer erinnerte. Dieser Statist wohnt in der
Nachbarschaft des Knochenspezialisten Küchelmann und erzählte von
seiner Vermutung.
Der Diplom-Biologe und Archäozoologe konnte den
Zufall kaum glauben, bereitet er doch gerade einen Fachvortrag vor, den
er auf einer Tagung am 7. November in Breslau auf der Konferenz einer
Arbeitsgruppe des „International Council for Archaeozoology“ hält.
Es
geht um die Funde von Wal-Knochen in Bremen. Damit nicht genug. Hans
Christian Küchelmann ist auch gebeten worden, sein Wissen über
Wal-Knochen für ein neues Buch beizusteuern, das Nicholas Redman
vorbereitet. Der Engländer, der bereits unter anderem in einem
umfangreichen Werk alle Wal-Knochen-Funde auf den britischen Inseln
fein säuberlich dokumentiert und kommentiert hat, plant nun eine solche
Übersicht für die Länder Holland, Dänemark und Deutschland. Letzteres
bearbeitet Küchelmann.
Gestern nun waren sie alle am Kirchweg
zusammengekommen: Nicholas Redman, Hans Christian Küchelmann, dazu die
unverhofften Wal-Knochen-Inhaber von Koch & Bergfeld, die
Geschäftsführer Wigmar Bressel und Klaus Neubauer.
Bei aller
Vorsicht, die wissenschaftliche Analysen gebieten, wurden gleichwohl
erste Konturen zur Einordnung des Fundes angedeutet. Demnach stammen
die Kieferknochen, so Küchelmann, nicht von einem Zahnwal, sondern es
muss ein Tier aus der Gruppe der Bartenwale gewesen sein. Ein Finnwal?
Der Bremer Archäozoologe betont, es wäre übereilt, dies zu behaupten.
Es sei auch noch unklar, ob die beiden Knochen zusammengehörten und
einst den Unterkiefer eines Tieres bildeten. Das Tier dürfte, gemessen
an der Länge der Knochen, eine Körpergröße zwischen zehn und 15 Metern
gehabt haben. Vermutlich habe der Wal zum Ausgang des 19. Jahrhunderts
gelebt.
Damals sei das Wal-Öl unter anderem als Brennstoff sehr
begehrt gewesen, so der Experte. Ein Anteil dieses Öls war in den
winzigen Röhren, die die Knochen durchziehen. Und so seien sie nach dem
Wal-Fang gleich noch an Bord aufgehängt worden. Die Rückreise bot genug
Zeit, um bis zum Einlaufen in den Heimathafen auch wirklich den letzte
Tropen auffangen zu können.
Der frische Fund der alten Knochen
wird nun Anfang November unmittelbar der Fachwelt in Breslau
vorgestellt. Zur Vorbereitung des Referats hatte der Bremer
Wissenschaftler akribisch bereits zahlreiche Wal-Knochen-Funde aus der
bremischen Geschichte zusammengetragen und katalogisiert. Eine
stadtgeografische „Hochburg“, die viele Hinweise zu bieten habe, sei
demnach Oberneuland – wohl, weil dort zu den Zeiten, als der Walfang
eine große Rolle gespielt habe, so manche Kapitäne und Reeder gewohnt
hätten. Da sei es nicht völlig unüblich gewesen, zwei große
Kiefer-Knochen eines Wals zu einem Portal zusammenzustellen und am
Eingang des Grundstücks aufzustellen.
Link zum Original-Artikel im Weser-Kurier:
http://www.weser-kurier.de/Artikel/Bremen/Vermischtes/24129/Ueberraschender+Fund+auf+dem+Gelaende+der+Silberwarenmanufaktur+%E2%80%9EKoch+%26+Bergfeld%E2%80%9C.html