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Manufakturen zwischen Tradition und Moderne
In Zeiten der Globalisierung ist es schwer, das Besondere zu finden. Geht man weltweit durch die Innenstädte, trifft man meistens auf die bekannten überregionalen Einkaufsketten. Die Waren sind austauschbar. Produkte mit Unikatcharakter findet man oft nur in kleineren Geschäften in den Seitenstraßen. Und sie werden immer beliebter.
Manufakturen liegen im Trend. Das weiß auch Wigmar Bressel, Geschäftsführer der Silberwarenmanufaktur Koch & Bergfeld. Um diese meist traditionsreichen Betriebe noch stärker in die Öffentlichkeit zu bringen, gründete er im Juni 2010 den „Verein Deutsche Manufakturen“ in Bremen.
Zu den sechs Gründungsmitgliedern gehören Unternehmen wie beispielsweise Mühle aus Stützengrün im Erzgebirge. Mühle, Hersteller hochwertiger Rasierpinsel, ist ein Familienbetrieb und wird heute bereits in der dritten Generation geführt. 25 Mitarbeiter produzieren mehr als 1,5 Millionen Pinsel pro Jahr, 30 Prozent davon für internationale Märkte. Das, was diese und auch andere Manufakturen von herkömmlichen Unternehmen unterscheidet, ist die Anwendung alter Handwerkstechniken. Nur wenige Experten beherrschen etwa die Kunst der manuellen Fertigung von Dachshaarpinseln, bei der Augenmaß und Fingerspitzengefühl erforderlich sind. Dachshaar mit Silberspitzen ist kostbar, jeder Handgriff beim Binden des Pinsels muss sitzen. Auch die Verarbeitung der Rasierpinsel-Griffe ist eine Wissenschaft für sich. Ebenso die Auswahl der Rohstoffe, aus denen die Seifen, Rasiercremes und Lotionen von Mühle produziert werden. Neben den traditionell hergestellten Edel-Produkten entstehen aber auch industriell gefertigte Artikel wie etwa Borstenpinsel. Diese Mischung aus Handwerkskunst, die Design-Orientierung und modernen Technologien macht das Besondere von Manufakturen aus.
Und noch ein Unternehmen, das im Zeichen der Mühle produziert, gehört zum Gründungskreis des Vereins Deutsche Manufakturen: So stellt die 1872 gegründete Firma Robert Herder an die renommierten Windmühlenmesser her. Auch hier spielt Handarbeit eine große Rolle: Schleifer und so genannte Pließter (Feinschleifer) sorgen dafür, dass die Meisterstücke aus Solingen heute noch in einer außergewöhnlichen Qualität gefertigt werden. Da kann man sich kaum vorstellen, dass die Solinger Industrie- und Handelskammer 30 Jahre lang keine Schleifer und Pließter mehr prüfen wollte. Erst jetzt, wo die Nachfrage nach Hand geschliffenen Messern enorm gestiegen ist, werden die alten Künste wieder gelehrt. Wer im Verein Deutsche Manufakturen Mitglied werden möchte, muss übrigens strenge Kriterien erfüllen: die Firma sollte in Deutschland ansässig sein, vom Inhaber geführt werden, zwischen fünf und 200 Mitarbeitern haben und auch in Deutschland produzieren. Mindestens 50 Prozent der hergestellten Waren müssen in Handarbeit gefertigt sein. Auch die Ausbildung von Nachwuchs und die Förderung der jeweiligen Handwerkskunst und -kultur gehören dazu.
Wer aber glaubt, dass sich nur alte Firmen mit langer Tradition Manufaktur nennen, der irrt. Zu gründete die Berliner Porzellandesignerin Katy Jung vor vier Jahren ihre eigene Manufaktur in Berlin-Lichtenberg. Bevor sie mit ihrem Studium an der renommierten Burg Giebichenstein, der Hochschule für Kunst und Design in Halle, begann, erlernte sie in Thüringen das Handwerk des Holzbildhauers. Später arbeitete sie mit der Sächsischen Porzellanmanufaktur Dresden zusammen. Zu ihren Produkten gehören Gebrauchsgegenstände wie Vasen, Spardosen, Salz- und Pfefferstreuer, Keksdosen oder Bananenhalter. Dabei sind die typischen Katy-Jung-Artikel aber nicht nur funktional, sondern auf eine sehr humorvolle Weise verspielt und feminin. Auch wenn sich Betriebe wie der von Katy Jung auf den ersten Blick von den Manufakturen alten Stils unterscheiden, eint doch alle ein gemeinsames Ziel: die Produktion individueller Waren mit hoher Qualität.
Sigrid Bauer
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